Die Pulsmessung gehört zu den ältesten Methoden, um den Zustand des Herz-Kreislauf-Systems zu überprüfen. Es ist meist auch der einfachste Weg: Der Puls ist an vielen Stellen des Körpers – ohne Instrumente oder technische Apparate – leicht zu ertasten.
Aufschluss über zahlreiche Herzfunktionen
Der Pulsschlag entsteht, wenn sich die linke Herzkammer zusammenzieht und frisches Blut in die Adern pumpt (systolische Phase). Dabei entsteht eine Druckwelle, die die Blutgefäße ausdehnt und ein rhythmisches Pochen erzeugt. Daher stammt auch die Bezeichnung "Puls" – pulsus ist das lateinische Wort für Stoß oder Schlag.
In der Regel ist der Pulsschlag identisch mit dem Herzschlag. Nur bei Erkrankungen wie dem Vorhofflimmern führt das Herz zusätzliche Schläge aus, die aber nur wenig Blut befördern und daher im Puls nicht auffallen. Die Pulsmessung findet dann eine geringere Frequenz als ein Elektrokardiogramm – ein Phänomen, das Pulsdefizit genannt wird1.
Die Medizintechnik hat unterschiedliche Sensoren entwickelt, die den Puls wahrnehmen können. Automatische Blutdruckmessgeräte nutzen Mikrofone oder erfassen die Schwingungen, die das pulsierende Blutgefäß hervorruft (oszillometrische Methode). Pulsoxymeter, Fitnesstracker und Smartphones senden mit LEDs grünes oder rotes Licht aus, um die rhythmischen Änderungen des Blutvolumens zu verfolgen2. Doch die Aussagen bleiben begrenzt: Zwar können manche Geräte Unregelmäßigkeiten oder Arrhythmien erkennen, doch in der Regel wird nur die Frequenz des Pulsschlags angezeigt.
Manuelle Pulsmessung
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Eine manuelle Messung des Pulses bietet deutlich mehr Informationen. Meist wird mit zwei bis drei Fingern die große Arterie am Handgelenk abgetastet, alternativ auch die Halsschlagader (Carotispuls) oder die Arterie in der Leiste (Femoralispuls). Neben der Frequenz kann mit etwas Erfahrung auch Amplitude, Regelmäßigkeit und charakteristische Muster bestimmt werden.
Die Frequenz wird in Schlägen pro Minute angegeben. Sie steigt mit der körperlichen Belastung spürbar an, was viele Sportler für die Optimierung ihres Trainingsplans nutzen3. Aber es ist vor allem der Ruhepuls, der Ärzten Hinweise auf Erkrankungen gibt. Er wird am besten morgens kurz nach dem Aufstehen gemessen und sollte bei gesunden Erwachsenen 60 bis 80 Schläge pro Minute aufweisen1. Abweichungen von dieser Norm werden in zwei Kategorien eingeteilt:
- Bradykardie – Puls unter 60. Kann bei trainierten Sportlern normal sein, ansonsten oft die Folge von Medikamenten oder erniedrigter Körpertemperatur.
- Herzrasen oder Tachykardie – Puls über 100. Häufig ein Zeichen von Fieber und Infektionen, kann aber auch durch Medikamente und Herzkrankheiten ausgelöst werden.
Die Stärke des Pulsschlags wird als Amplitude bezeichnet. Bei Gesunden sollte der Puls kräftig und alle Schläge ungefähr gleich stark sein, ein zu schwacher Puls kann auf Blutmangel hindeuten.
Hinweise auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Ein Arzt wird auch darauf achten, ob der Puls regelmäßig ist. Bei einem gesunden Herz ist der zeitliche Abstand zwischen den Schlägen immer gleich groß. Unregelmäßigkeiten zeigen an, dass das Herz aus dem Takt geraten ist. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Ausprägungen dieser Arrhythmien, auch das im Alter recht häufige Vorhofflimmern gehört dazu4. Nicht alle Arrhythmien sind gefährlich, aber eine gründliche Untersuchung durch einen Spezialisten ist fast immer ratsam.
Bei der Pulsmessung können auch kompliziertere Muster oder Pulsqualitäten auftreten. Zu den häufigeren Formen zählen Pulsus paradoxus, alternans und bigeminus5.
1. Pulsus paradoxus
Die Stärke des Pulses ist auch vom Atemrhythmus abhängig, da bei der Einatmung der systolische, höhere Blutdruck leicht abfällt. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn der Abfall mehr als 10 mmHg beträgt und der Puls beim Einatmen deutlich schwächer ist – der Pulsus paradoxus. Eine mögliche Ursache ist eine Ansammlung von Flüssigkeit zwischen dem Herzmuskel und dem umliegenden Bindegewebe: Diese Herzbeutel- oder Perikardtamponade sollte unverzüglich behandelt werden.
2. Pulsus alternans
Wenn jeder zweite Pulsschlag deutlich schwächer ist, sprechen Ärzte vom Pulsus alternans. Er ist ein Hinweis auf eine Funktionsstörung der linken Herzkammer. Diese Form der Herzschwäche hat zur Folge, dass abwechselnd größere und kleinere Blutmengen in den Kreislauf gepumpt werden.
3. Pulsus bigeminus
Auch der Zwillingspuls oder Pulsus bigeminus hat ein charakteristisches Muster: Zwei Schläge, auf die eine längere Pause folgt. Diese Herzrhythmusstörung kann Folge einer Überdosierung mit dem Wirkstoff Digitalis, aber auch Vorbote schwerer Herzanfälle sein.
Die endgültige Diagnose von Herzerkrankungen wird immer mit modernen Instrumenten und Apparaten erfolgen. Doch in der Routine und für die schnelle Diagnose hat sich die manuelle Pulsmessung seit Jahrhunderten bewährt – sie wird auch in Zukunft einen wichtigen Platz in der Medizin einnehmen.
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel gibt den aktuellen Stand des Wissens wieder. Er enthält jedoch nur allgemeine Hinweise, die nicht für eine Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung geeignet sind. Einen Arztbesuch kann er auf keinen Fall ersetzen.
Quellen und weiterführende Literatur
- 1 B. Lüderitz, Welcher Puls ist normal?, Deutsche Herzstifung, abgerufen Februar 2024 (Link)
- 2 Betz et al., Interpretation der Photoplethysmographie: Schritt für Schritt, Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie, Juli 2021 (Link)
alle Quellen anzeigen
- 3 Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, Trainingsempfehlungen mit dem Rezept für Bewegung, abgerufen Februar 2024 (Link)
- 4 Mit Pulsmessung Vorhofflimmern erkennen, Herzzentrum Bremen, abgerufen Februar 2024 (Link)
- 5 Henery und Tummala, Pulsus Alternans, StatPearls, Stand April 2023 (Link)